Wie entstehen TV-Untertitel
für Hörbehinderte?

Die Produktion und Distribution von Untertiteln ist eine personal- und kostenintensive Aufgabe. SWISS TXT AG, eine Tochtergesellschaft der SRG, übt diese Aufgabe seit über 30 Jahren für die SRG SSR und eine Vielzahl weiterer Kunden aus. Was 1984 mit der Untertitelung der Übertragung des Papstbesuches in der Schweiz begann, ist heute zu einem umfassenden Service für all jene Zuschauerinnen und Zuschauer geworden, die TV-Programme nur mithilfe von Untertiteln verstehen.

Die Untertitelung von TV-Programmen für Hörbehinderte

Die Produktion von Untertiteln ist eng mit dem Fernsehprogramm verzahnt. Fernsehen besteht im Wesentlichen aus zwei Arten von Programmen: aufgezeichnete und live ausgestrahlte Sendungen. Jede Sendung hat einen Ablauf, der bestimmt, was wann zur Ausstrahlung kommt. In der Vorbereitung einer Sendung ist es die Aufgabe der verantwortlichen Untertitel-Redaktoren, an die notwendigen Informationen zur betreffenden Sendung zu gelangen.

Aufgezeichnete oder live ausgestrahlte Sendungen?

So entstehen Untertitel bei SRG SSR


"Hallo SRF": Sendung über die Live-Untertitelung vom 13.10.2017


Nicoletta Siegrist erklärt die Live-Untertitelung auf RSI


Aufgezeichnete Sendungen

Die Mehrheit der am Fernsehen ausgestrahlten Sendungen ist aufgezeichnet. Fiktionale Inhalte wie Spielfilme, Serien oder Dokumentarfilme sind in der Regel immer aufgezeichnet. Einige Sendungen sind schon Wochen vor der Ausstrahlung verfügbar, andere erst Stunden davor. Beim Untertiteln geht es nicht einfach darum, das Gesprochene abzutippen, vielmehr sollten Untertitel das Gesprochene sprachlich adäquat, kohärent und korrekt wiedergeben. Die Untertitel sollten gut lesbar sein. Gute Lesbarkeit bedingt in vielen Fällen die Kürzung oder Umformulierung des Gesprochenen, jedoch ohne Informationsverlust und unter Beibehaltung der Authentizität und des roten Fadens. Die Untertitel werden nach semantischen Einheiten segmentiert und so positioniert, dass sie synchron zum Gesprochenen erscheinen; allenfalls fliessen noch Sprecheridentifikationen, Musik- und Geräuschbeschreibungen mit ein. Die gesamte Untertitelung einer Sendung wird von einer zweiten Person gegengelesen und kontrolliert.

Live-Sendungen

Es wird unterschieden zwischen kompletten Live-Sendungen und sogenannten Semi-Live-Sendungen. Bei Semi-Live-Sendungen wie der «Tagesschau» haben die Untertitel-Redaktoren Zugriff auf das Redaktionssystem, in welchem die Redaktoren der «Tagesschau» ihre Texte und Videobeiträge abspeichern. Anhand dieses Materials erstellen die Untertitel-Redaktoren die Untertitel für die vorproduzierten Sendungsbeiträge. Die vorbereiteten Untertitel werden dann während der Live-Sendung manuell «on air» geschickt, und zwar möglichst synchron zum Gesprochenen.

Der Respeaker hört sich das Gesprochene an und diktiert den Inhalt in ein Mikrofon.

Die Spracherkennungssoftware generiert daraus einen schriftlichen Text...

...und dieser wird danach schnellstmöglich als Untertitel «on air» schickt.

Innerhalb einer Semi-Live-Sendung können auch immer wieder mal Live-Passagen vorkommen, zum Beispiel Live-Schaltungen zu Korrespondenten in der «Tagesschau». Diese Untertitel werden dann live erstellt, und zwar mithilfe einer Spracherkennungssoftware. Diese Untertitelungsmethode nennt sich Respeaking, und die entsprechenden Live-Untertitler sind sogenannte Respeaker. Der Respeaker hört sich das Gesprochene der Live-Passage an, diktiert den Inhalt inklusive Interpunktionszeichen in ein Mikrofon, die Spracherkennungssoftware generiert daraus einen schriftlichen Text, welchen der Respeaker auf inhaltliche und orthografische Korrektheit überprüft und gegebenenfalls entsprechend korrigiert und danach schnellstmöglich als Untertitel «on air» schickt. Solche Live-Untertitel sind nicht synchron zum Gesprochenen, sondern erscheinen mit einer unvermeidbaren Verzögerung – unvermeidbar deswegen, weil der Respeaker immer zunächst abwarten muss, was gesagt wird, bevor er das Gesprochene mithilfe der Spracherkennungssoftware verschriftlichen kann.

Selbstverständlich gibt es auch Sendungen, die komplett live sind: zum Beispiel Sportübertragungen. In diesem Fall können keine Untertitel vorbereitet werden, sondern die ganze Sendung wird mithilfe der Spracherkennungssoftware untertitelt, also gerespeakt.

Beim Respeaking handelt es sich um eine Art Simultan-Dolmetschen – eine Tätigkeit, die eine sehr hohe Sprachkompetenz, eine schnelle Auffassungsgabe, eine ausgeprägte Konzentrationsfähigkeit, Stressresistenz sowie Multitasking-Fähigkeit voraussetzt. So muss ein Respeaker simultan zuhören, den Inhalt analysieren und sogleich adäquat und kohärent wiedergeben. Dabei muss er klar artikulieren und in Sinneinheiten diktieren, damit die Spracherkennungssoftware den Text möglichst fehlerfrei und schnell generieren kann. Aufgrund der Live-Situation ist der Respeaker dabei hohem Zeitdruck und Stress ausgesetzt, und das alles in einem technisch komplexen Umfeld.

Das Respeaking wurde bei SWISS TXT 2008 für die Untertitelung von Live-Sendungen eingeführt.

Eine Dienstleistung der SRG

Die Untertitelung ist eine Dienstleistung der SRG. Basis hierfür ist das Radio- und Fernsehgesetz RTVG und eine Vereinbarung, welche die SRG mit den Verbänden der Sinnesbehinderten geschlossen hat.

Anzeige von Untertiteln im Fernsehen

Die Untertitel werden über das Fernsehsignal verbreitet und können über die Einstellungen am Fernseher oder der Settop-Box zugeschaltet werden. Über HbbTV können die Untertitel sogar in verschiedenen Schriftgrössen dargestellt werden.


Geschichte der Untertitel in der Schweiz

Die Schweizerische Teletext AG produzierte die ersten Untertitel des Landes im Jahre 1983 anlässlich des Besuchs des Papstes in der Schweiz. Direktsendungen wurden selber produziert, Untertitel von aufgezeichneten Sendungen stammten von der Genossenschaft Hörgeschädigten Elektronik GHE in Biel mit einer eigens dafür entwickelten Technologie. Ab 1985 gab es auch Untertitel für die französische Schweiz, ab 1987 auch Untertitel auf Italienisch. Nach und nach wurden die Untertitel dann selbst erstellt.

Ab 1991 wurde die Tagesschau auf dem damaligen deutschsprachigen «Schweizer Fernsehen» untertitelt, es folgten nach und nach auch die News-Sendungen in den anderen Sprachregionen. Ab 2007 stieg die Anzahl der Sendungen markant, weil seit diesem Jahr gesetzliche Quotenvorgaben existieren. Seit 2008 werden Live-Sendungen mit Spracherkennung erstellt. Heute sind 70% aller Fernsehprogramme aller sieben SRG-Fernsehprogramme mit Untertiteln belegt.



Gion Linder

Gion Linder

Leiter Access Services
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